Kurz vor dem Ende der Legislaturperiode des Deutschen Bundestages bewegt der Paragraf 218 im Strafgesetzbuch seit Dezember 2024 erneut die Gemüter. Während die Abgeordneten von SPD, Grünen und Linke einen Gesetzesentwurf für Neuregelung einbringen möchten, wehren sich vor allem CDU, AfD und FDP gegen den Vorschlag.
Als Träger von Schwangerschafts-Beratungsstellen (in Mühlhausen und Bad Langensalza) hat die AWO Thüringen einen fundierten Einblick in das Thema und so bezieht AWO-Geschäftsführerin Katja Glybowskaja in der Debatte deutlich Stellung:
„Aus unserer Sicht ist eine Streichung des Paragrafen längst überfällig. Seine Existenz verhindert keine Abbrüche. Ein Kind auszutragen, ist ein tiefgreifendes, lebensveränderndes Ereignis und keine Frau wird sich unreflektiert für oder gegen eine ungeplant eingetretene Schwangerschaft entscheiden. Das anzunehmen, erscheint uns ein sehr männlicher Gedankengang. Frauen müssen die körperlichen, emotionalen und sozialen Folgen einer Schwangerschaft tragen.
Deshalb fordern wir, dass Schwangerschaftsabbrüche endlich außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt werden! Die vorgeschriebenen Wartefristen und Antragstellungen schaffen unnötige Hürden. Statt einer verpflichtenden Beratung plädieren wir für ein garantiertes Recht auf eine qualifizierte, unterstützende und ergebnisoffene Beratung“, unterstreicht Katja Glybowskaja. So möchte die AWO Thüringen nicht nur das bestehende Netz an Schwangerschafts-Beratungsstellen ausgebaut wissen, sondern fordert darüber hinaus auch die Kostenübernahme des Abbruchs durch die Krankenkassen.
„Für die Frauen im Osten Deutschlands ist der Paragraf 218 StGB immer ein Rückschritt gewesen – vor der Wiedervereinigung war der Schwangerschaftsabbruch eine freie Entscheidung, die jede Betroffene nach reiflicher Überlegung selbst treffen konnte, ohne das Gefühl zu haben, damit eine kriminelle Handlung zu begehen“, so Glybowskaja weiter.
„Es muss gewährleistet sein, dass für alle ungewollt schwangeren Frauen eine sichere Möglichkeit besteht, bis zum Ablauf der 12. Woche ihre Schwangerschaft beenden zu können. Aktuell ist die wohnortnahe Versorgung in vielen Regionen nicht mehr gewährleistet. In einer Studie gaben 60 Prozent der Ärztinnen und Ärzte an, keine Abbrüche durchzuführen, weil diese strafrechtlich geregelt sind. Hier besteht dringender Handlungsbedarf!“